Stefan Wallrich (Foto: Wallrich Wolf)

Dosierte KI statt Robo-Advice: Wie Wallrich Wolf Algorithmen im Fonds-Management einsetzt

Teure Fondsmanager sind für Stefan Wallrich ein Auslaufmodell. Der Vorstand des Frankfurter Vermögensverwalters Wallrich Wolf setzt bei der Jagd nach Renditen auf künstliche Intelligenz – im Zusammenspiel mit menschlicher Kontrolle. Von “Robo-Advisern” will er sich dabei abgrenzen: “Wir machen unser eigenes Ding.”

“Kannst du unsere Strategien zurückrechnen?” Mit dieser Frage habe sich Stefan Wallrich Ende 2017 an seinen IT-Administrator gewandt. Wallrich ist Vorstand des Frankfurter Vermögensverwalters Wallrich Wolf, der seit zehn Jahren mit einem Stillhalter-Fonds an der Terminbörse Eurex notiert ist. Dabei verkaufen Portfoliomanager regelmäßig Put-Optionen auf Aktien sowie Indizes und verdienen dabei die Optionsprämie. Aber Wallrich wittert Optimierungsbedarf: Funktioniert Put am Geld oder aus dem Geld besser? Und welche Laufzeit hat sich bewährt? All das sollte der Mainzer IT-Spezialist Marcel Heintz mithilfe eines Computeralgorithmus im Backtesting überprüfen.

Insgesamt 20 Strategien soll Heintz so bis ins Jahr 2008 zurückgerechnet haben. “Zuerst wollten wir die Erkenntnisse nur nutzen, um unserer Prämienstrategie zu optimieren”, erläutert Wallrich, der mit seinem Team Kundengelder von mehr als 350 Millionen Euro in verschiedenen Portfolios verwaltet. Doch IT-Experte Heintz, der mittlerweile am Projekt beteiligt ist, hatte eine bessere Idee: Er entwickelte eine künstliche Intelligenz, die laufend unterschiedliche Investitionsgrade durchrechnet, überprüft und die Ergebnisse hinterfragt. Genau wie das menschliche Gehirn ist auch der Algorithmus lernfähig: Wenn neue Daten eintreffen, ändert er sein Verhalten.”Die ersten Ergebnisse waren toll”, schwärmt Vermögensverwalter Wallrich. So toll, dass nach einer Überprüfung sowie Bewertung des Systems in verschiedenen Testzeiträumen Ende Dezember 2017 mit dem “Wallrich Wolf AI Prämienstrategie Fonds” (ISIN DE000A2DTL29) ein eigenes Absolute-Return-Produkt mit einer jährlichen Zielrendite von zwei bis drei Prozent auf den Markt kam – ausschließlich gesteuert vom Deep-Learning-Modell der künstlichen Intelligenz.

“Robo-Advisory ist mir zu komplex”

„Wir versuchen mit künstlicher Intelligenz aber nicht herauszufinden, wie Gelder zu investieren oder anzulegen sind“, möchte Stefan Wallrich seinen Ansatz bewusst von der digitalen Vermögensverwaltung durch Robo-Advisory abgegrenzt wissen. Viele deutsche Banken hatten zuletzt ihre Projekte in diesem Bereich wieder eingestellt. “Robo-Advice spielt mit verschiedenen Asset-Klassen. Das ist mir zu komplex. Wir machen unser eigenes Ding: Wir haben einen Algorithmus gefunden, der zwei, drei oder vier Prozent Rendite ansteuern kann.” Wie genau das funktioniert, das ist und bleibe ein Betriebsgeheimnis, “wie das Geheimrezept von CocaCola”.

Das Prinzip sei aber leicht erklärt: Der Computer erkennt in historischen Daten wie Kurs-, Umsatz- und Volatilitätszeitreihen bestimmte Muster, vergleicht diese mit den aktuellen Kursen des Euro Stoxx 50, der Volatilität und den Preisen der an der Terminbörse Eurex gehandelten Verkaufsoptionen und leitet konkrete Investitionsentscheidungen ab. Die Maschine hat dabei die Vorgabe, einen Teil des Portfolios permanent investiert zu halten, um durch den Optionsverkauf regelmäßige Erträge zu generieren und den Investitionsgrad zu adaptieren: Bei niedriger Volatilität wird weniger eingesetzt, bei hoher Volatilität und damit hohen Prämien wird über die 100 Prozent des Portfolios hinaus gegangen. Welchen Investitionsgrad der Computer wählt, bleibt ihm überlassen.

Faktor Mensch

Ganz ohne menschliches Zutun funktioniert der AI-Prämienstrategie-Fonds aber dennoch nicht: “Wir lassen uns die Formel, die uns die Maschine zur Investition aufträgt, nochmals anzeigen”, erklärt Wallrich, bei dem zurzeit jeweils zwei Portfoliomanager und zwei IT-Fachkräfte am AI-Stillhalte-Fonds arbeiten. “Wir entscheiden dann, ob der Investitionsweg Sinn macht und zu unseren Erfahrungswerten passt. Das läuft noch nicht automatisch.” Die Betonung liegt auf “noch”, denn der Experte geht davon aus, dass die Zukunft im Portfoliomanagement – wie beim Autofahren ­– in der künstlichen Intelligenz liegt. Schließlich könne man nicht nur die Ergebnisse optimieren, sondern Portfolien sehr kosteneffizient verwalten. “Wenn die Maschinen die Arbeit übernehmen, brauche ich keine teuren Manager zu bezahlen”, sagt Wallrich und sieht in dieser Entwicklung einen Fortschritt. “Beim Fonds fällt eine Management-Fee von einem Prozent an. Wir verrechnen 75 Basispunkte – und das, weil wir hier Pionierarbeit leisten und die Forschung eine Stange Geld kostet”, sagt Wallrich und fügt hinzu: “Wenn das Fondsvolumen 100 Millionen Euro groß ist, wird auch die Fee dementsprechend kleiner werden.”

Schwarze Null in schwierigem Jahr

Soweit ist der Artificial Intelligence (AI) Prämienstrategie Fonds des Vermögensverwalters noch nicht. “Wir verwalten derzeit neun Millionen Euro”, sagt Wallrich und gibt zu, damit das ursprüngliche Ziel für 2018 von 15 Millionen Euro nicht erreicht zu haben. “Wir sind noch recht klein, aber sehr stolz auf das, was wir haben.” Bei einem so jungen, (r)evolutionären Produkt sei  die Skepsis am Anfang sehr groß gewesen. Die meisten wollen schauen, ob der KI-Fonds drei Jahre lang funktioniert, meint der Geschäftsführer. Auch die Komplexität des Produkts sei bei der Präsentation in Institutionen hinderlich gewesen. “Man hat uns auf den Kopf zugesagt, dass das kein Mensch versteht”, schmunzelt Wallrich. “Aber das Smartphone verstehe ich auch nicht – und doch funktioniert es. Hauptsache, die Performance stimmt.”

Und mit Letzterer ist das Unternehmen im ersten Jahr äußerst zufrieden: So hat sich die AI Prämienstrategie in einem herausfordernden Marktumfeld bisher als überaus stabil erwiesen, heißt es in der Pressemitteilung von Wallrich Wolf. Lediglich im vergangenen Februar sei es im Zusammenhang mit der Volatilitätsexplosion an den internationalen Aktienmärkten zu einem vorrübergehenden Kurs-Dip gekommen. Dieser zwischenzeitliche Rückgang von bis zu 3,4 Prozent sei auf zwei Faktoren zurückzuführen: Einerseits hätte der Kurseinbruch beim Euro Stoxx 50 zu verringerten Abständen zwischen dem Basiswertpreis und den Strikelevels der verkauften Puts geführt. Gleichzeitig sei die implizite Volatilität deutlich angestiegen. Beide Entwicklungen hatten eine Verteuerung der Stillhalterpositionen zur Folge. Mit einer Beruhigung der Märkte sei der Fonds wieder auf Kurs gekommen. Das zweite Anlageziel, langfristig Renditen von 2,5 bis 3,5 Prozent zu erwirtschaften, hingegen sei nicht gelungen. Ende November lag die Performance mit 0,29 Prozent unter den Erwartungen. In einem Jahr, indem der Euro Stoxx 55, der als Underlying für die Stillhalterpositionen dient, innerhalb von zwölf Monaten rund 11,5 Prozent an Wert verloren hat, wertet das Unternehmen dies jedoch als Erfolg.

Der nächste Fonds kommt

Es steht mit dieser Einschätzung nicht allein da. “Nach der anfänglichen Skepsis merken wir jetzt den Zuspruch”, freut sich Stefan Wallrich. “Die Interessenten kommen aus ihren Löchern heraus.” Mit diesem Erfolg geben sich er und sein Team aber längst nicht zufrieden. “Wir sind dabei, den KI-Algorithmus zu optimieren und unsere Formel immer schlauer zu machen”, erklärt der Vermögensverwalter, der schon im ersten Jahr zwei Verbesserungen am Prämienstrategie-Fonds durchgeführt hat. “Wir testen und experimentieren mit unterschiedlichen Einflussfaktoren. So haben wir beispielsweise schon zusätzliche Volatilitätsvariablen mit einbezogen und den Investitionszeitpunkt verschoben.” Außerdem soll der Algorithmus so weiterentwickelt werden, dass Optionspositionen, die bei kurzer Restlaufzeit weit aus dem Geld notieren und damit nur noch geringe Prämien aufweisen, vorzeitig geschlossen werden. Mittelfristig könnten möglicherweise auch Wechselkurse und makroökonomischen Daten in die Entscheidungspfade des Programms einbezogen werden.

Während der Plan, von den besten Faktoren Gene entstehen zu lassen und mit anderen zu verschmelzen, noch Zukunftsmusik ist, ist ein nächster Schritt bereits im Februar geplant: Da soll nämlich schon der nächste AI-Prämienstrategie-Fonds kommen. Dieser steuert mit vier Prozent eine höhere Zielrendite an.