Die Solarisbank ist eines der größten deutschen Fintechs (Bild: PR)

27 Euro pro Konto – so viel verdient die Solarisbank mit Vivid und Trade Republic

Der Berliner Banking-Anbieter Solarisbank gibt einen detaillierten Einblick in seine Geschäftszahlen. Es zeigt sich erstmals, wie viel Geld die Bank mit ihren Partnern verdient, wie viele Konten sie führt – und warum das Kreditgeschäft schrumpft.

Das Fintech-Boomjahr findet sich auch in den Geschäftszahlen der Solarisbank wieder. Die Wette ist aufgegangen, dass das Berliner Bank-Startup mit seinen Partnerfirmen mitgewachsen ist. Darunter Aufsteiger wie die Anlage-App Trade Republic, die Neobank Vivid oder die Krypto-App Bison. Und so konnte der Banking-as-a-Service-Spezialist seine Erträge 2020 mehr als verdoppeln, wie aus vorläufigen Geschäftsbericht hervorgeht.

1.) Geschäftsmodell

Nur ganz kurz (um die Stammleser nicht zu langweilen): Das Berliner Fintech umreißt sein Geschäftsmodell im 2020er-Abschluss wie folgt …- „Der wesentliche Fokus der Solarisbank AG […] ist Banking-as-a-Service anzubieten. Dazu unterhält und entwickelt die Bank ein wachsendes Produktportfolio“.

– „Die Produkte […] werden den Geschäftspartnern fast ausschließlich über APIs [Anm.: Programmier-Schnittstellen] zur Verfügung gestellt und basieren weitestgehend auf selbst entwickelter Software“.

Mit anderen Worten: Die Solarisbank tritt nicht selber im B2C-Geschäft auf – versetzt aber andere Anbieter in die Lage, bestimmte Finanzdienstleistungen für Endkunden anzubieten.

Dabei hat der B2B-Spezialist sein Geschäft in vier Einheit unterteilt:

– Digital Banking: Zahlungsverkehrskonten, Karten, Payments, „Virtual Iban“
– Lending: Konsumentenkredite, Firmenkundenkredite, Handelsfinanzierungen, Fronting, Factoring
– Identity: KYC für Privat- und Firmenkunden
– Digital Assets: Zahlungs- und Handelslösungen rund um Krypto-Assets

3. Wie verdient die Solarisbank ihr Geld?

Konzentrieren wir uns zunächst auf die Erträge. Das kombinierte Zins- und Provisionsergebnis hat sich im abgelaufenen Geschäftsjahr auf 21,8 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Hierbei entscheidend: die massiver Steigerung beim Provisionsergebnis – nämlich um den Faktor vier auf 18,6 Millionen Euro.

Gliedert man das Provisionsergebnis auf, dann ergeben sich Provisionserträge in Höhe von 26,1 Millionen Euro, denen ein Provisionsaufwand von 7,6 Millionen Euro gegenübersteht.

Schauen wir, wie sich die Provisionserträge im Detail zusammensetzen:

Man sieht: Wesentlich ist die erste Position, also die Provisionserträge aus Bankgeschäft und Digital Assets. Zwar nimmt der Geschäftsbericht keine weitere Unterteilung dieses Postens vor. Man darf allerdings mutmaßen, dass die Erträge in Höhe von 15,6 Millionen Euro überwiegend aus dem Kontengeschäft stammen – schließt hält der Geschäftsbericht an anderer Stelle fest:

„Ein wesentlicher Treiber für die erfolgreiche Entwicklung in 2020 ist das dynamische und deutlich über den Erwartungen liegende Wachstum der verwalteten Konten mit über 940 tausend Stück (VJ: 119 tausend)“

Mal ganz grob überschlagen: Ginge man davon aus, dass, sagen wir, drei Viertel der 15,6 Millionen Euro (also etwa zwölf Millionen Euro) aus dem Kontengeschäft stammen und die durchschnittliche Zahl der Konten übers Kalenderjahr hinweg bei etwa 450.000 gelegen hat, dann würde die Solarisbank mit einem von ihr verwalteten Konto im Schnitt 27 Euro pro Jahr erlösen.

Nun offeriert der BaaS-Spezialist aber unterschiedliche Arten von Konten, die sich grob in die beiden folgenden Kategorien einteilen lassen:

– Zahlungsverkehrskonten (für Kunden wie den N26-Rivalen Vivid Money oder den Business-Banking-Spezialisten Penta)
– Depot-Verrechnungkonten (für den Neobroker Trade Republic)

Ein Großteil des Kontenwachstums dürfte auf den Aufstieg von Trade Republic zurückzuführen sein. Allerdings handelt es sich bei den Depot-Verrechnungskonten vereinfacht gesagt um ein Hilfskonten, die in erster Linie buchungstechnischen Zwecken dient. Mit anderen Worten: Hier dürften die Erträge pro Konto ein gutes Stück unter besagten 27 Euro liegen – und bei den „vollwertigen“ Zahlungsverkehrskonten dementsprechend ein gutes Stück darüber.

4. Wie verdient die Solarisbank sonst noch ihr Geld?

Kommen wir zunächst zu den übrigen Provisionseinnahmen aus der Tabelle weiter oben:

– Sign-on fees: Dass diese in der Aufstellung der Provisionserträge für 2019 mit „null“ angegeben werden, dürfte daran liegen, dass die Solarisbank die Vertragsabschluss-Gebühren damals noch komplett unter den „Partnererlösen“ in den „sonstige betriebliche Erträge“ subsummiert hat. Besagte „Partnererlöse“ gibt es in der aktuellen GuV immer noch, sie sind allerdings von vormals 3,7 Millionen Euro auf nur noch 2,5 Millionen Euro gesunken. Addiert man die „Sign-on- fees“ in Höhe von 2,3 Millionen Euro allerdings hinzu, so kommt man auf 4,8 Millionen Euro – also ein Zugewinn verglichen mit den 3,7 Millionen Euro aus 2019. Ohne jetzt zu tief in die jeweiligen Definitionen von „Partnererlös“ und „Sign-on fee“ einsteigen zu wollen: Es fällt auf, dass die Solarisbank in ihrem 2020er-Bericht, anders als in den Vorjahren, die Zahl ihrer Partnerunternehmen verschweigt. Begründet wird dies damit, dass „durch den verstärkten Fokus auf die Weiterentwicklung auch bestehender Partnerschaften“ die Anzahl der Partner kein aussagekräftiger Leistungsindikator mehr sei (und man stattdessen, siehe oben, nun die Zahl der verwalteten Konten als nicht-finanziellen KPIs angibt). Aus dem Bauch heraus würde wir vermuten: Die Solarisbank hat 2020 nicht mehr so viele neue Partner gewonnen wir noch in den Jahren zuvor – dafür aber größere Partner (Vivid Money, Samsung …).

– Im Inland nicht steuerbare Provisionserträge: Obwohl die Solarisbank erst seit diesem Jahr (also 2021) die europäische Expansion so richtig anschiebt, gab es auch vorher schon den ein oder anderen ausländischen Kunden – die entsprechenden Einnahmen (1,3 Millionen Euro) zeigen sich in dieser Position.
– E-Geld: Das überspringen wir jetzt einfach mal …
– SME Lending-Geschäft: Dazu weiter unten mehr …
– Übrige Erträge: Diese belaufen sich auf 4,8 Millionen Euro und enthalten laut Geschäftsbericht unter anderem Erträge aus dem „Identity-Geschäft“, also aus den hauseigenen KYC-Lösungen. Deren Anteil dürfte 2020 aber noch verschwindend gewesen sein, weil die Sparte erst im Q4 Fahrt aufnahm.

Hinter dem Provisionsüberschuss (und deutlich vor dem Zinsüberschuss, zu dem wir weiter unten noch kommen …) waren die „Sonstigen betrieblichen Erträge“ mit 8,6 Millionen Euro die wichtigste Einnahmequelle der Solarisbank im vergangenen Jahr. [Bevor es zu Missverständnissen kommt: Die „sonstigen betrieblichen Erträge“ sind nicht zu verwechseln mit den „übrigen Erträgen“ innerhalb des Provisionsergebnisses]

Die Übersicht zeigt …

… dass aktivierte Eigenleistungen mit 5,2 Millionen Euro den ganz überwiegenden Teil dieser Position ausmachen (wobei nach unserem Verständnis hier bereits Abschreibungen in Höhe von grob drei Millionen Euro gegengerechnet sind).

Rechnet sich die Solarisbank ihre Erträge mittels Aktivierungen schöner als sie sind? Man mag so argumentieren. Dagegen spricht …

1. Durch die über fünf Jahre vorgenommenen Abschreibungen heben sich die positiven und negativen aus der Aktivierung auf mittlere Sicht auf; dauerhaft ließe sich auf die Weise bis Bilanz also nicht wirklich polieren

2. Dass die Solarisbank stark in die Entwicklung immaterieller Güter investiert (siehe unser Stück über die hauseigene Kernbanken-Module), dürfte außer Frage stehen. Insofern scheint der Umfang der Aktivierungen angemessen.

5. Wie die Solarisbank ihr Geld nicht mehr verdient

Wie weiter oben unter „Ertragslage“ gezeigt, ist das Zinsergebnis der Solarisbank im vergangenen Jahr von 6,0 Millionen Euro auf 3,3 Millionen Euro geschrumpft.

Natürlich leidet die Solarisbank wie jede Bank auch (oder zumindest wie alle Banken, die keine TLTRO-Arbitrage betreiben …) unter den niedrigen Zentralbank-Zinsen. Konkret: Negativzinsen schlagen sich mit minus 3,5 Millionen Euro in der GuV wieder, verglichen mit minus 0,5 Millionen Euro ein Jahr zuvor. Mit dem Delta von drei Millionen Euro lässt sich der Rückgang des Zinsergebnisses also rein quantitativ bereits begründen. Und trotzdem: Bei einem Startup sollten die Erträge ja steigen, nicht sinken. Also, was ist da los?

Der Geschäftsbericht hält fest:

„Im Vergleich zum Vorjahr hat die Solarisbank AG im Geschäftsjahr 2020 das Kreditvolumen deutlich reduziert. Insbesondere das Kreditgeschäfte mit Geschäftskunden (SME-Segment) wurde entsprechend der angepassten Planung abgebaut, während der geplante Ausbau des Konsumentenkreditgeschäfts hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.“

Lassen wir die Konsumentenkredite mal außen vor; aufgrund von Corona standen in diesem Segment auch etliche etablierte Banken auf der Bremse. Interessanter finden wir die Reduktion des Kreditgeschäfts mit Geschäftskunden. Zwar erfolgte der Abbau hier „entsprechend der angepassten Planung“? Aber warum wurde die Planung überhaupt „angepasst“?

Schaut man auf die Zinserträge, dann war das SME-Geschäft 2020 weiterhin der größte Posten, die Erlöse stiegen sogar noch einmal leicht auf 3,6 Millionen Euro an …


… Gleichwohl dürften die Zinserträge mit SME-Kunden hiermit bereits ihren (vorläufigen?) Peak erreicht haben. Nennenswertes Neugeschäft hat die Solarisbank im vergangenen Jahr nämlich keines mehr betrieben – darauf deutet der von 80,5 Millionen Euro auf nur noch 66,5 Millionen Euro (minus 17 Prozent) gesunkene Bestand an Unternehmenskrediten hin …

Was man dazu wissen muss: Ursprünglich war die Solarisbank stark auf Provisionserträge fokussiert. 2018/2019 weitete sich ihr Fokus dann jedoch. Die Solarisbank brachte einen „volldigitalen KMU-Sofortkredit“ heraus, der über Kreditportale wie Compeon und Fincompare durchaus offensiv vertrieben wurde; auch mit anderen Produkten tummelte sie sich nun auch im Kreditgeschäft. Folge: Die Zinserträge, anfangs noch ein marginaler Ergebnisposten, überstiegen 2018 plötzlich die Provisionserträge, 2019 verstärkte sich der Trend sogar noch … Doch nun: Hat sich das Verhältnis zwischen Provisions- und Zinsgeschäft binnen nur eines Jahres wieder komplett in Richtung Provision gedreht.


Ist auch das bloß eine Folge von Corona?

In ihrem Geschäftsbericht spricht die Solarisbank von einem „risikoorientierten Abbau des Kreditgeschäfts im SME-Segment“. Ein Hinweis auf möglicherweise zu hohe Ausfallraten? Oder hat der „volldigitale KMU-Sofortkredit“ nur in der frühen Corona-Phase nicht funktioniert, wird nun aber wieder hochgefahren? Die Solarisbank äußert sich hierzu gelinde gesagt ausweichend: „Wie im vergangenen Jahr kommuniziert, verfolgen wir weiterhin unsere Strategie, das bilanztragende Geschäft im Verhältnis zum Provisionsgeschäft nicht zu stark wachsen zu lassen.“

6. Warum macht die Solarisbank so hohe Verluste?

Die ursprüngliche Losung, bis 2020 schwarze Zahlen zu schreiben, wurde schon vor längerer Zeit einkassiert. Stattdessen hat das B2B-Fintech Solarisbank einen Cashburn wie ein B2C-Fintech, auf fast 28 Millionen Euro stieg der Jahresfehlbetrag im vergangenen Jahr an. Der simple Grund: stark steigende allgemeine Verwaltungsaufwendungen. Kam die Solarisbank ein Jahr zuvor noch mit gut 32 Millionen Euro aus, waren es 2020 bereits 48 Millionen Euro (ein Plus von fast 50 Prozent), wobei das meiste hiervon (26,5 Millionen Euro) für Personal draufgeht.

Dazu muss man sagen: Soooooo unsagbar teuer, wie man als Nicht-Berliner vielleicht meinen könnte, sind die Solarisbank-Leute nicht. Der Personalaufwand pro Kopf belief sich 83.600 Euro – und das Durchschnittsgehalt pro Kopf auf etwa 71.000 Euro. Indes: Von diesen Köpfen hat das Startup inzwischen ganz schön viele, die Zahl der Mitarbeiter stieg gemessen an den Vollzeitäquivalenten von 292 nochmals merklich an auf 369 (jeweils per Jahresultimo).

Ob sich die hierdurch verursachten Aufwendungen irgendwann mal in entsprechenden Erträgen niederschlagen, wird man sehen.

7. Warum sich die Solarisbank diese Verluste locker leisten kann

Man kann die Frage, warum die Solarisbank so hohe Verluste macht, natürlich auch sehr kurz beantworten: Weil sie es kann …

Dem Bilanzverlust (also vereinfacht gesagt: dem Cashburn seit Gründung) in Höhe von 94 Millionen Euro stand per Jahresende eine Kapitalrücklage (also vereinfacht gesagt: die Summe alle Fundings seit Gründung) in Höhe von 164 Millionen Euro gegenüber. Ein bisschen Puffer war da also noch. Wobei es diesen Sommer ja schon das nächste Funding gegeben hat. Diesmal: satte 190 Millionen Euro. Abzüglich rund 100 Millionen Euro für die ebenfalls in diesem Sommer getätigte Übernahme des britischen Wettbewerbers Contis, lässt sich somit errechnen: Pi mal Daumen ist genug Kapital vorhanden, um zumindest mal in den kommenden 24 Monaten nicht nervös werden zu müssen.

8. Der Ausblick

Die Prognose fürs laufende Geschäftsjahr rasch im Copy-Paste-Modus, einfach aus dem Geschäftsbericht geklaut (nur die Fettungen und Kürzungen sind von uns)

– Für 2021 geht die Solarisbank AG von einem […] deutlich gestiegenen Gesamtertrag verbunden mit einer leichten Erhöhung der Bruttomarge aus.
– Dabei liegt der Fokus auf der weiteren Steigerung der Provisionserlöse. Entsprechend der Strategie das bilanztragende Geschäft möglichst klein zu halten und vor dem Hintergrund der hohen Unsicherheit über die weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird keine Erhöhung von Zinseinnahmen erwartet.
– […] erwartet die Solarisbank auch in 2021 ein sehr dynamisches Wachstum der geführten Konten.
– […] werden die Verwaltungskosten […] weiter deutlich ansteigen.
– Der Jahresfehlbetrag […] wird voraussichtlich auf dem Niveau von 2020 liegen. Das prognostizierte signifikante Wachstum der Erträge wird durch die zusätzliche Kosteninvestition in 2021 ausgeglichen.