Erik Podzuweit ist Gründer und Co-CEO des Neo-Unicorns Scalable Capital (Bild: PR)

Scalable Capital kauft justETF – was steckt hinter dem Deal?

Fintech-Unicorn Scalable Capital verkündet seine erste Übernahme auffallend nebensächlich. Welche strategische Überlegung steckt hinter dem Deal?

Die Pressemitteilung, die der Münchner Robo-Advisor und Neobroker Scalable Capital am Freitag verschickte, hätte eine griffige Headline zweifelsohne verdient gehabt. „Scalable Capital treibt mit Akquisition von justETF die Expansion voran“, hätte man zum Beispiel drüberschreiben können. Oder: „Scalable Capital tätigt erste Übernahme überhaupt – und erwirbt justETF.“ Doch stattdessen lautete die Betreffzeile: „Scalable Capital erweitert Informationsangebot rund um börsengehandelte Indexfonds.“

Kann es sein, dass die Überschrift mit Absicht so ungelenk formuliert worden war? Um die Sache bloß nicht zu hoch zu hängen? Und vielleicht ja sogar in der stillen Hoffnung, dass der ein oder andere Journalist die Mitteilung nach Lektüre der Betreffzeile gar nicht erst klicken, sondern gleich in den Spam-Ordner verschieben würde?

Was sich in jeden Fall sagen lässt: In den Papierkorb gehört die Nachricht, dass Scalable Capital das reichweitenstarke Informationsportal justETF (acht Millionen Page Impressions pro Monat) übernimmt, in keinem Fall. Denn auch wenn die Übernahme gemessen an der Kaufsumme nicht allzu groß sein mag – von strategischer Bedeutung ist sie allemal. Was aber noch hinzukommt: Der Deal ist nicht nur relevant – es ist auch ein bisschen pikant. Denn ein Grund, warum justETF (gegründet 2013 in der schwäbischen Provinz und bis heute von dort aus agierend) so eine enorme Reichweite entwickeln konnte, liegt in der Unabhängigkeit des Portals.

Ist es damit nun vorbei?

Was man dazu wissen muss: Die Verbindung zwischen Finanzdienstleistern und Finanzportalen ist eine gewissermaßen natürliche:

„Wallstreet Online“ (eines der größten Finanzportale überhaupt hierzulande) gehörte zu den frühen Investoren von Trade Republic, verkaufte die entsprechenden Anteile aber, um mit dem Smartbroker seinen eigenen Neobroker aufzusetzen.

– Die zum Springer-Konzern gehörende „Finanzen.net GmbH“ erwarb vor einigen Monaten einen anderen Fintech-Broker, nämlich den Gratisbroker, um den jetzt unter eigener Brand groß zu machen.

Onvista (auch eines dieser Informationsportale) startete schon vor Jahren einen eigenen Broker und wurde später mitsamt dieses Brokers von der Comdirect übernommen

– Das vor allem für den Vergleich von Tages- und Festgeldern bekannt Portal biallo.de startete vergangenes Jahr mithilfe des Robo-Fintechs Investify einen eigenen Robo Advisor

– Und selbst Check24 ist ja in gewisser Weise ein unabhängiges Informationsportal – konnte aber auf Dauer nicht der Versuchung widerstehen, seinen Vergleichen auch eigene Angebote unterzurühren und schließlich sogar eine eigene Bank zu gründen

Die Übernahme von justETF durch Scalable Capital folgte also einem industriellen Trend – auch wenn in diesem Fall das Finanzportal keinen Finanzanbieter startet, sondern umgekehrt der Finanzanbieter das Finanzportal übernimmt. Zu den Motiven der Akquisition äußert sich Scalable in der besagten Pressemitteilung zwar nur schwammig. Es braucht allerdings keine allzu tiefe Kenntnis der Marktes, um die Beweggründe grob zu dechiffrieren:

1.) Profitables Geschäftsmodell

justETF verdient sein Geld auf dreierlei Weise, nämlich a) mit Anzeigen, b) mit sogenannten Affiliate-Links – ETF-Anbieter zahlen also eine Provision, wenn ihnen über das Portal potenzielle Kunden zugeführt werden – und c) über ein Premium-Angebot für zahlungswillige Nutzer. Schwer zu sagen, wie viel Umsatz sich mit diesem Modell machen lässt (justETF weist keine Zahlen aus), von einer zumindest mal nennenswerten siebenstelligen Summe darf man allerdings ausgehen. Sprich: Scalable übernimmt ein Unternehmen mit intaktem und mutmaßlich auch profitablem Geschäftsmodell.

2.) Spannender Vertriebskanal

Lässt man die Googles dieser Welt mal außen vor, dann gehört justETF ganz sicher zu den größten und wichtigsten Vertriebskanälen für ETFs hierzulande; einer der mutmaßlich wichtigsten Kunden schon heute: Scalable Capital. Die Münchner (die ja nicht nur der größte Robo Advisor hierzulande sind, sondern hinter Trade Republic auch der mutmaßlich zweitgrößte Neobroker) haben künftig also die Kontrolle über einen der interessantesten Vertriebskanäle der Branche – was auch insofern interessant erscheint, als justETF für seine gute Positionierung bei Google bekannt ist.

Freilich: Zu den höchsten Gütern von justETF gehört, dass die dort vermittelten Informationen unter Anlegern als objektiv gelten. In der Praxis muss und wird Scalable bedacht sein, dieses Renommee nicht zu beschädigen – auch, damit sich andere Anbieter nicht von der Plattform nicht zurückziehen. Das siebenköpfige Team um die Gründer Dominique Riedl und Gründerin Petra Riedl bleibt an Bord. Wohl auch als Signal, dass justETF nicht zu einen reinen Scalable-Plattform mutieren soll.

3.) Stark in Italien

justETF ist nicht nur hierzulande, sondern teils auch im europäischen Ausland aktiv. Besonders in Italien gilt die Marktposition als wahrnehmbar. Was insofern aufhorchen lässt, als Italien ja auch eines der Länder ist, die Scalable im Zuge der europäischen Expansion seines Brokerage-Angebots ins Visier nehmen will. Gewissermaßen gehen die Münchner jenseits der Alpen also mit eigenem Online-Vertriebskanal an den Start. Nicht der dümmste Move.

4.) Der Konkurrenz zuvorkommen

In der Szene galt justETF schon länger als Verkaufskandidat. Hätte Scalable nicht zugegriffen, hätte es wer anders getan. Womöglich sogar Trade Republic.

Zum Kaufpreis übrigens äußerte sich Scalable Capital auch auf explizite Nachfrage hin nicht. Wenn uns unser kombiniertes Wissen zum Fintech-Markt und zum Markt für Wirtschaftsinformationen allerdings nicht täuscht, dann würden wir von einem Preis irgendwo im mittleren bis einstelligen Millionenbereich ausgehen.