Der Ottonova-Gründer Roman Rittweger (Bild: (C) Hurbert Burda Media)

„Ottonova und Wefox schlagen zwei unterschiedliche Richtungen ein“

Exklusiv: Nach einem schwierigen Start kann Ottonova mittlerweile gute Zahlen vorweisen: Das Münchner Startup hat mehr als 14.000 Kunden und weitere 23 Millionen Euro für seine Wachstumsstrategie. Wie steht die junge Versicherung da?

Schon als das kleine Team vor fünf Jahren in einem Münchner Kellergeschoss an dem ersten Produkt arbeitete, war klar: Das Vorhaben wird langwierig und kostspielig. Roman Rittweger gründete damals – erstmals seit 17 Jahren wieder – eine private Krankenversicherung. Schon zum Start erhielt Ottonova 40 Millionen Euro, vor allem um die Versicherungslizenz zu bekommen. Zu der damaligen Zeit ein hohes Vorschussvertrauen der Geldgeber.

Die erste Zeit war beschwerlich, Ende 2018 kam Ottonova gerade einmal auf 406 Kunden. Es sah so aus, als sei der große Plan schon gescheitert. Doch Rittweger und sein Team ließen sich nicht beirren, sie passten das Produkt und die Vertriebsstrategie an. Nun schlägt sich dies in den Zahlen nieder: Nach einem Anstieg auf etwa 4.800 Kunden wuchst die Zahl im vergangenen Jahr noch einmal stark auf 14.000 Kunden. Das geht aus dem Konzernabschluss hervor, der Finance Forward vorliegt.

Das Wachstumstempo soll anhalten, dafür hat das Münchner Versicherungs-Startup im Coronajahr noch einmal 23 Millionen Euro aufgenommen, wie es im Bericht heißt. Denn die hohen Verluste müssen weiter finanziert werden, sie lagen im vergangenen Jahr bei 24 Millionen Euro, ähnlich hoch wie im Vorjahr. „Wir streben nicht an, das Jahresergebnis für 2021 zu verbessern, sondern investieren stark ins Wachstum, gerade im Frühjahr haben wir in jedem Monat neue Rekorde gesehen“, sagt Finanzchef Martin Betzwieser, der Anfang 2021 vom Vergleichsportal Verivox kam.

Unterschiedliche Wachstumstreiber

Als ersten Wachstumstreiber führte Ottonova Zusatzversicherungen ein, wie beispielsweise Zahnzusatzversicherungen. Beim Vertrieb setzte es auch auf das Vergleichsportal Check24, ein wichtiger Player für den Massenmarkt. Weitere „überraschende Produkte“ plant das Unternehmen für das kommende Jahr, sagt Gründer Roman Rittweger.

Erst kürzlich verbreiterte das Startup den Zugang zum Kunden: Als Versicherungspartner können auch andere Anbieter die Ottonova-Policen unter eigener Marke vertreiben. Der erste Kunde ist das Insurtech Getsafe, wie Finance Forward berichtete. Eine Strategie, die weiter bei der Skalierung helfen wird, sagt Betzwieser. Mehrere junge Versicherungen setzen auf diesen Vertriebskanal, etwa Element aus Berlin.

Dadurch stellt Rittweger sein Unternehmen auf ein breiteres Fundament: Auf der eine Seite sind die vergleichsweise wenigen Krankenversicherten, die bislang einen Großteil des Umsatzes ausmachen – und auf der anderen Seite sind die Zusatzversicherungen, die über Partner und Vergleichsportale durch die Masse an Relevanz gewinnt. Das zeigt sich auch in den Zahlen aus dem Jahr 2020:

– Die Anzahl der vollversicherten Kunden lag bei 1.854 (Vorjahr: 860), dabei bringen sie Versicherungsbeiträge von 6,4 Millionen Euro ein.
– Die Zusatzversicherungen zählen 12.187 (Vorjahr: knapp 4.000).
– Zum Umsatz von insgesamt 9,04 Millionen Euro tragen die Zusatzversicherungen nur 1,7 Millionen Euro bei. Der Rest entfällt auf weitere Versicherungen.

Das Kernprodukt – die Krankenversicherung — soll in den kommenden 18 Monaten weiterhin einen Großteil der Umsätze ausmachen, so Betzwieser. Es muss sich jetzt zeigen, welche reichweitenstarken Partner Ottonova gewinnen kann.

„Die Marketing- und Vertriebskosten pro Kunden sinken“

Auch bei Ottonova sieht man, wie wichtig der Vertriebsweg bei Versicherungsprodukten ist. Denn die Kunden lassen sich nur schwer über Online-Werbung gewinnen, es ist teurer als zum Beispiel bei Fintech-Angeboten wie Trade Republic und N26. Wefox, das gerade eine große Finanzierungsrunde eingesammelt hat, setzt zum Beispiel weiter stark auf den Maklervertrieb. „Ottonova und Wefox schlagen zwei unterschiedliche Richtungen ein, wir setzen weiterhin auf den Direktvertrieb oder Vergleichsportale wie Check24, außerdem bieten wir White-Label-Services an – es gibt einfach verschiedene Wege zum Kunden“, sagt Rittweger.

Nach dem beschwerlichen Start vor einigen Jahren macht sich mittlerweile die Werbung bemerkbar, sagt Rittweger: „Die Marketing- und Vertriebskosten pro Kunden sinken, weil unsere Marke auch durch die Fernsehwerbung bekannter wird.“ Dafür hat das Münchner Startup einen sogenannten Media-for-Equity-Vertrag mit dem Sender Prosiebensat.1 abgeschlossen, der Anteile für die Werbeleistung erhält, in Höhe von fünf Millionen Euro, wie aus dem Jahresbericht hervorgeht.

Mit der Strategie – Kernprodukt mit hohen Umsätzen und Massen-Policen über Partner sowie Vergleichsportale – ist Ottonova auf Kurs. Eine neue Finanzierung könnte bald folgen, denn die 23 Millionen Euro hat die Firma Ende 2020 als Wandeldarlehen aufgenommen, die es in den kommenden Jahren bei einer Finanzierungsrunde wandeln muss. Bislang ist das Finanzierungsklima gut.

Die Verluste der Firma sind derweil weiterhin hoch. Ottonova muss den Investoren zeigen, dass es bei anhaltendem guten Umsatzwachstum die Kosten nicht stärker steigen, aber danach sieht es nicht aus. „Wir müssen auf Profitabilität umschalten, wenn der Finanzmarkt versiegt und wir kein Geld mehr bekommen – aber danach sieht es nicht aus, das Interesse ist groß“, sagt Rittweger.