London zieht weiterhin Fintech-Startups an (Bild: Dil/Unsplash).

Fintech-Fundingzahlen sinken auf Tiefstwert – welche Startups kriegen noch Kapital?

Der Abwärtstrend im Venture-Capital-Funding geht weiter. Nur noch 1,4 Milliarden Euro flossen im ersten Quartal in Fintech-Startups, rund ein Viertel vom Vorjahreszeitraum. Wie blicken die Investoren jetzt in die Zukunft?

Alles begann mit den Entlassungen beim früheren Vorzeige-Fintech Klarna. 700 Beschäftigte mussten auf einmal gehen – das war im Mai 2022. „Das markiert den Beginn eines sehr turbulenten Jahres“, sagte Gründer Sebastian Siemiatkowski damals zu seiner Belegschaft mit Blick auf die gesamte Branche. Er prognostizierte einen steilen Inflationsanstieg und eine drohende Rezession. Viele weitere Fintechs wie Smava, Kontist, Trade Republic und Moss zogen mit Entlassungen nach.

Entlassungswellen, Insolvenzen und Downrounds wurden im vergangenen Jahr die Regel. Klarna musste im Juli gar eine Abwertung von 45,5 Milliarden auf 6,7 Milliarden Dollar hinnehmen. Der Markt hatte sich gewandelt – und zeigte dies auch in den gesunkenen Funding-Zahlen im zweiten Halbjahr 2022. Dieser Trend setzt sich auch in diesem Jahr fort, wie eine Erhebung von Blackfin Capital für Finance Forward jetzt zeigt.

Das Investitionsvolumen für Fintechs ist im ersten Quartal 2023 weiter gesunken. Nur noch 1,4 Milliarden Euro wurden auf dem europäischen Markt investiert. Im Vorjahreszeitraum waren es noch gut sechs Milliarden Euro. Immerhin: Die Anzahl der Finanzierungsrunden stieg im Vergleich zum vierten Quartal 2022 wieder an. Allerdings lassen Venture-Capital-Firmen aktuell weiterhin Vorsicht walten, sagt Romain Grimal von Blackfin Capital Partners. So halbierte sich das Durchschnitts-Investment pro Runde im Vergleich zum Vorquartal – und lag nur noch bei knapp zehn Millionen Euro. Die Mehrzahl der zehn größten Investments ging an britische Startups. Auch aus Deutschland sind drei Unternehmen dabei.

Unter den größten Deals in diesem Quartal fällt auf: Investitionen in Trendthemen wie ESG und Emissionshandel sind vergleichsweise weniger stark gesunken. Darunter befindet sich zum Beispiel die deutsche Plattform für ESG-Risikomanagement Integritynext. Das Münchner Startup hatte sich bislang aus eigenen Mitteln finanziert und sicherte sich nun ein beachtliches 100-Millionen-Euro-Investment von EQT Growth. Der Investor sieht sich durch eine Neuerung im deutschen Lieferkettengesetz sowie die neue ESG-Reporting-Direktive der EU in diesem Schritt gestärkt. „Der europäische Markt für Softwarelösungen für nachhaltige Lieferketten wird in den nächsten Jahren voraussichtlich stark wachsen“, heißt es von EQT Growth. Man rechne mit einem jährlichen Marktwachstum von 50 Prozent. Auch der britische Anbieter für Emissionshandel Carbonplace konnte ein erstes Investment über 45 Millionen Dollar einsammeln. Es stammt vom Zusammenschluss der neun Banken, die das Startup 2020 gründeten. Beteiligt sind unter anderem die UBS und BNP Paribas.

Die beiden deutschen Startups Wefox und Raisin verkündeten in diesem Quartal ebenfalls neue Finanzierungsrunden. Für Raisin lag die letzte Runde bereits vier Jahre zurück. Nach den schwierigen Niedrigzins-Jahren kann das Unternehmen nun vom neuen Zinsumfeld profitieren. Wefox machte nach ihrer größeren Funding-Runde im vergangenen Jahr dagegen unlängst mit umfangreichen Entlassungen von sich reden (Finance Forward berichtete).

Auch im Krypto-Bereich fließt noch etwas Geld. So entfiel das drittgrößte europäische Funding auf den Schweizer Anbieter für Digital-Assets-Infrastruktur Taurus. Dabei pikant: Die jüngst durch die UBS übernommene Credit Suisse leitete als strategischer Partner die Series-B-Finanzierungsrunde des Startups.

Downrounds sind unausweichlich

Wie wird es nun weitergehen? Eine baldige Trendwende stellen die Geldgeber nicht in Aussicht: „In den nächsten zwölf bis 18 Monaten wird es besonders für Wachstumsrunden deutlich weniger Kapital geben“, sagt Filip Dames, Founding Partner bei Cherry Ventures. „Im Early-Stage-Bereich sieht es dagegen etwas besser aus“. Funding-Potenzial sieht er insbesondere bei Infrastruktur-Themen, beispielsweise Embedded Finance oder Payment Orchestration.

Das Geld im Markt sei zwar vorhanden, doch befänden sich die meisten Akteure gerade in Wartestellung. Früher oder später würden Startups aber wieder neues Geld brauchen – eine Welle von Downrounds sei angesichts der vielen Überbewertungen der vergangenen Jahre dann unausweichlich. Die aktuellen Umsatz-Multiples liegen laut Analysedienst Pitchbook nur noch bei 1.9x – in 2022 waren es 4.2x. Diese Multiples werden im Venture Capital allgemein zur Unternehmensbewertung herangezogen. Zudem erwartet Pitchbook eine generelle Verlangsamung des Umsatzwachstums. „Investoren an den öffentlichen Märkten drängen schnell wachsende Low-Profit-Unternehmen, ihre Ausgaben zu senken, um Profitabilität zu erreichen“, heißt es im jüngsten Report des Analysedienstes. All diese Faktoren dürften zu Negativ-Korrekturen vieler Unternehmensbewertungen führen.

Auch Romain Grimal sieht die Lage für Seed- und Series-A-Runden positiver. Viele Venture-Capital-Firmen wären gerade zum Jahreswechsel noch zurückhaltender gewesen. Doch für dieses Jahr erwarte er wieder einen leichten Anstieg im Early-Stage-Bereich.