Die Geschichte der Fidor Bank spielt sich in München ab – und in Paris (Bild: Markus Spiske/Unsplash)

Dramatische Verluste – und die Frage: Wurde Fidor überhaupt verkauft?

Vor rund fünf Jahren wurde Fidor von der Großbank BPCE übernommen, eigentlich wollte das französische Geldhaus das Fintech im vergangenen Jahr wieder verkaufen. Das ist jedoch nicht passiert, wie Recherchen von Finanz-Szene zeigen.

Die Ende 2020 zerschlagene Münchner Direktbank Fidor hat ihrem langjährigen Eigentümer, der französischen Großbank BPCE, noch viel dramatischere Verluste beschert als bislang bekannt. So fiel im letzten Geschäftsjahr als integriertes Institut nochmals ein Minus in Höhe von 121 Millionen Euro an – nach Verlusten von 35 Millionen Euro (2016), 110 Millionen Euro (2017), 41 Millionen Euro (2018) und 63 Millionen Euro (2019) in den Jahren zuvor.

Eingedenk der Tatsache, dass die BPCE für die 2016/2017 übernommene Fidor initial sogar einen Kaufpreis von kolportierten gut 100 Millionen Euro überwiesen hatte, dürfte die Franzosen das missglückte Engagement letztlich mehrere hundert Millionen Euro gekostet haben. Zur Einordnung: Auch 2020 musste das Pariser Institut ausweislich des Abschlusses noch mal rund 67 Millionen Euro nachschießen – nachdem der Fidor Bank in den Jahren 2016 bis 2019 auch schon Kapital im Umfang von aggregiert rund 186 Millionen Euro zugeführt worden war. Und das alles bei einem Institut mit zuletzt nur noch 1,4 Milliarden Euro Bilanzsumme sowie kumulierten Zins- und Provisionsüberschüssen von 16 Millionen Euro.

Während die Verluste in den Vorjahren in erster Linie aus missglückten Kreditengagements in Großbritannien gekommen waren, schlug 2020 allein eine Abschreibung für die kurz zuvor an dem französischen Technologiekonzern Sopra Steria verkaufte Fidor Solutions mit 69 Millionen Euro zu Buche. Zugleich arbeiteten die Münchner allerdings auch operativ hoch defizitär: Dem besagten Zins- und Provisionsergebnis von 16 Millionen Euro standen üppige Verwaltungsaufwendungen von 53 Millionen Euro gegenüber.

Allem Anschein nach ging es BPCE zuletzt nur noch darum, die Fidor Bank irgendwie loszuwerden – entwickelt wurde die 2009 gestartete Direktbank, die einst in einem Atemzug mit N26 genannt wurde, nicht mehr wirklich. Geplant war für 2020 eigentlich ein Wachstum der Kundenzahl von 324.000 Kunden auf knapp 500.000 Kunden. Stattdessen waren es am Jahresende nur noch 166.000 Kunden.

Fairerhalber: Dazu trug neben der Einführung von Kontogebühren auch der Verkauf des Whitelabel-Geschäfts („o2/Telefonica-Banking“) an die Comdirect bei. Die durchschnittlichen Nettoprovisions-Einnahmen pro Kunde beliefen sich nur noch auf 49 Euro, womit das Ziel von 80 bis 95 Euro meilenweit verfehlt wurde. Das Kreditgeschäft kam offenkundig mehr oder weniger zum Erliegen. So betrug der Bestand per Jahresende nur noch 39 Millionen Euro – das entspricht einem Minus von 70 Prozent zum Vorjahr und 54 Prozent zur selbst gesteckten Prognose.

Ist der Verkauf an Ripplewood vollzogen? Kein Kommentar

Fast noch spannender indes ist die Frage, wem die Fidor Bank jetzt eigentlich gehört. Quasi parallel zum Verkauf der IT-Sparte an Sopra hatte der Eigentümer BPCE im August 2020 angekündigt, das eigentliche Bankgeschäft an den angelsächsischen Finanzinvestor Ripplewood verkaufen zu wollen; ein entsprechender Deal sollte im ersten Halbjahr 2021 über die Bühne gehen. Recherchen von Finanz-Szene zeigen nun indes, dass die Fidor Bank per Mitte vergangenen Jahres immer noch zu der französischen Großbank gehörte.

Was den aktuellen Stand angeht, äußerte sich ein Sprecher von BPCE auf Anfrage von Finanz-Szene.de ausweichend. Zu „laufenden Verfahren“ nehme man grundsätzlich keine Stellung. In Finanzkreisen hieß es diese Woche, die BPCE werde von Ripplewood schon seit längerem hingehalten. Angeblich soll das Signing zwischenzeitlich vollzogen worden sein – das Closing aber noch nicht. Fidor selbst wollte sich auch nicht äußern.

Ob die im Geschäftsbericht genannten Ziele für 2021 überhaupt noch in Angriff genommen wurden, ist unklar. Laut Geschäftsbericht wollte Fidor im Banking-Bereich das klassische Girokonto in den Fokus stellen, aber auch im Kreditbereich wieder wachsen. Weiter hieß es, dass der „2020 begonnene Ausbau der Infrastruktur und Prozesse für umfassende Kreditaktivitäten (…) mit Hochdruck weiter forciert“ würden. 2022 solle der Breakeven erreicht werden und im Jahr darauf ein Jahresüberschuss erwirtschaftet werden. Es wäre der erste seit 2014.

Mit weit höheren als den geplanten Verlusten verabschiedete sich derweil die Fidor Solutions an den neuen Eigentümer, wie aus deren ebenfalls kürzlich erschienenen 2020er-Abschluss hervorgeht. Statt wie geplant drei Millionen Euro Verlust (gemäß Ebitda) betrug das Minus 24 Millionen Euro; die Gesamtleistung sank auf 21 Millionen Euro. Auch hier flossen noch einmal 53 Millionen Euro (!) in die Kapitalrücklage.

Ob dieses Geld ebenfalls noch von BPCE kam oder schon (teilweise) von Sopra Steria, ist unklar, die BPCE Gruppe ließ eine entsprechende Nachfrage unbeantwortet. Dass trotzdem am Jahresende nur elf Millionen Euro Eigenkapital übrig waren, ist der Tatsache geschuldet, dass konzernintern noch Darlehen und sonstige Verbindlichkeiten zu tilgen waren. 2021 sollte sich das Ebitda nochmals verschlechtern – eine Verbesserung der Situation erhoffte sich Sopra Steria erst für das laufende Jahr.


*Transparenzhinweis: Sopra Steria gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene.de. Auf die Berichterstattung hat dies keine Auswirkungen.