
Ehemaliger Whitebox-Manager Thomas Völker gründet „ETF-Killer“ Realist
Exklusiv: Der Fintech-Manager Thomas Völker baut ein neues Startup auf, das ETFs Konkurrenz machen will und auf das sogenannte Direct Indexing setzt. Ein Produkt, das in den USA bereits im Kommen ist. Zum Start erhält das Team 1,5 Millionen Euro.
Seit April arbeitet Thomas Völker im Verborgenen an einem neuen Projekt. Ein „ETF-Killer“ soll es werden, so formuliert es der ehemalige Manager des Freiburger Robo-Advisors Whitebox. Die Art und Weise, wie ETFs aktuell funktionieren, sei nicht mehr zeitgemäß. Daher will sein neues Fintech namens Realist es besser machen. Die Idee: Statt eine Auswahl an Aktientiteln in ein Fondsprodukt zu verpacken, setzt das Start-up im Kern auf das sogenannte Direct Indexing. Dabei werden für jeden Anleger direkt die einzelnen Aktien entsprechend des gewählten Index im Depot gehalten und nicht wie bei ETFs ein gesamter Paketmantel gekauft.
Das soll einerseits Produktkosten wie eine Management-Gebühr komplett einsparen. Andererseits können Anleger ihr Portfolio damit sehr flexibel gestalten. Wenn ein Kunde etwa keine bestimmte Branche oder einzelne Titel im Depot halten möchte, lassen sich diese gezielt ausschließen und durch andere Aktien ersetzen – ohne dass der Index-Ansatz insgesamt verloren geht.
Ein weiterer Vorteil bietet das sogenannte Tax Loss Harvesting, also das gezielte Ausnutzen steuerlich relevanter Kursverluste. Kunden bekommen hier die Möglichkeit, gezielt Positionen zu verkaufen, um steuerlich relevante Verluste zu realisieren, und anschließend ähnliche Titel zu kaufen, um die Marktexposure beizubehalten. Im deutschen Steuermodell soll das konservativ betrachtet einen Vorteil von 0,1 bis 0,4 Prozent Ersparnis im Jahr bringen, teilt Gründer Völker mit.
Gebühren soll es laut ihm keine geben. „Wir eliminieren jegliche Produktkosten aus der Geldanlage“, erklärt er gegenüber Finance Forward. Auch auf den üblichen Markspread wolle Realist keinen Aufschlag machen. Finanzieren will sich das Start-up vor allem über eine monatliche Abo-Gebühr, die allerdings noch nicht spruchreif sei. Sie werde aber „erschwinglich“ sein und es werde Modelle für unterschiedlich intensive Nutzung geben, so Völker.
Gründer finanzieren Vorhaben selbst
Zum Start richtet sich Realist an Geschäftskunden. Wertpapierdienstleister wie Broker, Asset Manager oder Banken können dann ihren Endkunden das Produkt anbieten. Eine Lösung für Endkunden soll im vierten Quartal 2025 folgen. Dafür strebt das Team die Lizenzierung als Finanzportfolioverwalter der Bafin an.
Die Gründung finanziert das Team größtenteils selbst. Völker hat zusammen mit seinen Mitstreitern Amiran Sherozia, Giorgi Shagidze und Nika Kurdiani ein Funding in Höhe von 1,5 Millionen Euro bereitgestellt. Co-Gründer Kurdiani und Berater des Start-ups Guram Andronikashvili brachten sich mit größeren Tickets als Angel-Investoren ein.
Das Team bringt Erfahrung mit: Völker, ehemals Deutschland-Chef bei Moneyfarm, war die vergangenen drei Jahre bei dem Robo-Advisor Whitebox als Chief Product Officer tätig. In dieser Zeit hat er etwa Flatex DeGiro Integration „FlatexWealth“ verantwortet. Seine drei Mitgründer kennen sich aus ihrer Zeit bei der osteuropäischen TBC Bank. Sherozia wird Realist Vollzeit mit aufbauen, Shagidze leitet nebenher die größte Bank Moldawiens MAIB, Kurdiani führt die Geschäfte der TBC Bank in Uzbekistan sowie der dortigen Neobank Space International.
Charles Schwab und Fidelity bieten Produkt bereits an
Das Modell birgt Marktpotenzial: Direct Indexing gewinnt insbesondere in den USA bereits an Bedeutung. Dort wird es etwa von den Vermögensverwaltern Charles Schwab oder Fidelity angeboten. Auch im deutschsprachigen Raum könnte es Fuß fassen, vor allem bei Anlegern, die eine Kontrolle über ihr Portfolio bevorzugen und steuerliche Optimierungen schätzen. Bislang bieten in Deutschland vor allem spezialisierte Vermögensverwalter und digitale Anlageplattformen Formen von Direct Indexing an, meist für vermögende Privatkunden.
Realist sieht es eher auf eine breitere Zielgruppe ab. Die genaue Produktausgestaltung, inklusive Mindestanlagesummen, habe das Team allerdings noch nicht im Detail festgelegt. Im hart umkämpften Geldanlage-Markt muss es seinen potenziellen Kunden vermitteln, warum es trotz des steigenden Aufwands gegenüber ETFs langfristig attraktiver sein soll – insbesondere, wenn herkömmliche ETF-Anbieter ihrerseits sehr niedrige Gebühren verlangen.